Lilli Cremer-Altgeld |
Die Prüfung bestanden ging ich als Seminarleiterin frisch ans Werk. Monate zuvor war ich Mitglied in einem Team, das für eine deutsche Universität „die Elite“ Deutschlands interviewte. Hier erfuhr ich, wie und warum Menschen so erfolgreich wurden. Diese Informationen band ich nun in meine Seminare ein.
Ich
hatte eine gewisse Vor-Freude. Denn ich dachte: Die Menschen werden glücklich
sein, wenn sie aus erster Hand erfahren, wie das so geht mit dem Erfolg. An welchen
Rädchen man drehen muss – was man besser lassen sollte – und worauf es ankommt,
dass der Mensch „so“ erfolgreich wird.
Ich
dachte: Die Menschen machen sich nun bald ans Werk und loten aus, wie für sie
selbst so ein Erfolgsweg aussehen könnte. Und fangen auch an, eine Vor-Freude
auf ihr Glück zu empfinden.
Und
wie war die Resonanz?
Wenig
bis kaum Interesse an dem eigenen Erfolg.
Wie
konnte das sein?
Vielleicht
liegt es ja an mir, dachte ich?
Ich
muss diese „Erfolgsgeheimnisse“ einfach noch besser rüberbringen!
Dabei
kam mir der Auftrag eines amerikanischen Konzerns sehr gelegen: Ich bekam die
Aufgabe, eine Mitarbeiterbefragung zum Thema „Erfolg“ durchzuführen.
Nach
dieser Studie wusste ich genau: Die Menschen hatten Angst vor dem Erfolg.
Angst
vor dem Erfolg, den doch alle (?) so ersehnen?
Angst
vor dem eigenen Erfolg?
Gewiss,
es gab da diese Alphatiere, die sich vorstellen konnten in einer gewissen
Metapher glücklich zu werden. Es war die Metapher: „Mein Ziel ist es, am
Tegernsee eine Villa zu haben, den Blick von meiner Terrasse über das Tal
schweifen zu lassen und mich an meinem Ferrari (wahlweise in Schwarz oder
Feuerrot) zu erfreuen. Ich bin dann Coach und schreibe Bücher.“
Warum
Coach?
Ich
bin nun selbst Coach seit mehr als 20 Jahren. Ein schöner Beruf. Jedoch keiner,
der unter das Vergnügungssteuergesetz fällt.
Nein.
Keiner von ihnen wurde Coach. Keine Villa, kein Tegernsee, kein Ferrari. Und
das waren schon die Erfolgreichsten, die ich befragt habe.
Die
anderen Mitglieder der Studie gaben unumwunden zu: ICH HABE ANGST!.
Grössere
Erfolge? Fehlanzeige. Immer wieder zeigte sich diese Angst.
Angst,
der Aufgabe nicht gewachsen zu sein. Angst, den Weg nicht zu erkennen. Angst,
den sozialen Kreis zu verlieren. Angst vor Neid und Missgunst. Angst vor sich
selbst.
Angst
kann man überwinden. Aber auch davor hatten die Menschen Angst.
Ich
bekam eine zweite Chance, an einer Elitestudie zu arbeiten. Diesmal hatte
ich sogar die Möglichkeit, alle Interviews zu lesen. Mir fiel auf, dass es noch
etwas anderes ist, was die „Elite“ der Presse erzählt – und was die
Wissenschaftler/innen erfahren durften. Ich erfuhr, dass es auch bei
diesen Menschen Angst gab. Aber, dass es Netze gab. Netze aus echten
Freundschaften, die sie lange und kunstvoll geknüpft hatten. Und die sie
immer wieder auffingen, wenn denn mal der grosse Sturm aufkam.
Diese
Menschen wurden nicht weniger gebeutelt vom Leben als alle anderen Menschen
auch. Aber sie hatten das Netz, das sie auffing. Sie hatten viel Zeit, Liebe
und Wertschätzung in dieses Netz investiert. Nicht berechnend, nicht
strategisch – obwohl vielleicht auch – aber vor allem, weil es dieser Elite ein
echtes Anliegen war, das Gute im Menschen zu sehen und zu kultivieren, bauten
sie immer wieder diese Netze.
Ganz
expliziert erzählten diese Menschen an der Spitze der Gesellschaft, dass sie
von dem Gedankengut Goethes beeinflusst waren. Und dieser Spruch auch ihr Leben
durchwirkt: „Edel sei der Mensch, hilfreich und gut“.
Kann
man das auf die einfache Formel bringen: Wer gut (zu sich) und den anderen ist
– wird vom Leben belohnt? Bei den „Eliten“, die hier befragt wurden,
zeigte sich hier ein eindeutiger Trend ab.
Jedoch
gab es neben „Netzen“ (ECHTE FREUNDE!) und
Wertschätzung weitere Ursachen.
Vor
allem hatte es etwas damit zu tun, wie man sich selbst sah und sich auch selbst
entwickelte. Das jeder Mensch besondere Begabungen hat, ist klar. Das diese
gefunden werden müssen – auch.
Es
gab da diese Gedanken, die ebenfalls Goethe zugeschrieben werden: „Unsere
Wünsche sind Vorgefühle der Fähigkeiten, die in uns liegen, Vorboten
desjenigen, was wir zu leisten imstande sein werden. Was wir können und
möchten, stellt sich unserer Einbildungskraft außer uns und in der Zukunft dar;
wir fühlen eine Sehnsucht nach dem, was wir schon im Stillen besitzen. So
verwandelt ein leidenschaftliches Vorausgreifen das wahrhaft Mögliche in ein
erträumtes Wirkliches.“
Dass
es nicht nur darum geht, die Zukunft „zu ersträumen“, sondern dass diese
Zukunft mit Arbeit, Disziplin und Konzentration verbunden ist, war allen
Beteiligten bewusst. Und das haben alle Beteiligte auch bedingungslos für sich
akzeptiert.
Noch
etwas fiel mir auf. Diese Menschen hatten alle – mehr oder weniger – eine
Affinität zu Mark Aurel. Oder einem der anderen Philosophen der Stoa. Nicht
umsonst gilt die Stoa als der Wegweiser der Elite im angelsächsischen
Raum. Nicht umsonst führt gerade diese Philosophie zum Glück. Gedanken
von Mark Aurel wie "Glücklich sein heißt einen guten Charakter haben“.
(Selbstbetrachtungen VII) lassen dies erahnen.
Wenn
Menschen nicht erfolgreich sind, hat es oft damit zu tun, dass sie Ängste
haben. Ängste vor einer ungewissen Zukunft. Ängste vor anderen
Menschen.
Aber:
Ängste haben alle Menschen.
Es
geht deshalb um den richtigen Umgang mit der Angst. Welche Angst ist gut und
brauchbar – welche steht uns im Wege auf dem Weg zu uns selbst?
Was
vielen Menschen weniger bekannt ist: Ängste kann man inzwischen auch ohne
Therapie und Coaching überwinden. Wer seine Konzentration auf eine angstfreie
Zukunft einstellt, wird seine Augen und Ohren weit offen haben – und so
erkennen, was gerade für ihn hilfreich ist.
Wer
sich von der Angst befreien kann – wird frei sein, sein Ziel und seinen Weg zu
erkennen. Es geht vielleicht nicht von heute auf morgen. Aber es geht.
Ich
habe immer wieder erlebt, dass Menschen die sich selbst schon aufgegeben haben,
zu ihrem wahren Leben gefunden haben. Menschen, die sehr krank waren. Menschen,
die aus einem traurigen Elternhaus kamen. Menschen, die nicht gefördert,
sondern missbraucht wurden. Menschen, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens
geboren und aufgewachsen sind.
Ich
habe erlebt, dass jeder die Sonnenseite des Lebens finden kann. Ich bin sicher,
dass jeder Mensch Wert ist, diese Sonne zu finden. Folge Deiner Intuition – ist
der erste Schritt.
Lilli Cremer-Altgeld